Časopis Slovo a slovesnost
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Syntagmatischer und paradigmatischer Forschungsweg in der semantischen Analyse

Aloyzas Gudavičius

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Syntagmatický a paradigmatický přístup v sémantické analýze

Der vorliegende Artikel stellt sich die Aufgabe, kurz die Argumentation der syntagmatischen und paradigmatischen Methode bei der semantischen Analyse zu besprechen sowie zu beweisen zu versuchen, daß in gewissen Fällen die syntagmatische Forschungsmethode primär und mehr objektiv sein kann. Der Artikel ist zum großen Teil das Ergebnis einer inhaltsreichen Diskussion des Authors mit Prof. I. Němec, die einen Teil der jahrzehntelangen Korrespondenz bildet. Die den Briefen entnommenen Ausführungen und Zitate von Prof. I. Němec sind jeweils mit Hinweisen auf die Briefsdatierung versehen.

Zwischen den Sprachelementen bestehen zweierlei Beziehungen: syntagmatische oder lineare Beziehungen zwischen den Elementen im Text (in der Rede) und paradigmatische oder vertikale Beziehungen zwischen den Sprachelementen im Sprachsystem.

Syntagmatische Beziehungen sind real, weil sie von uns durch unsere Sinnesorgane wahrgenommen werden. Die Realität der paradigmatischen Beziehungen ist daher anderer Art. Die Sprache als System ist in gewissem Sinne eine Abstraktion, und ihre durch paradigmatische Beziehungen verbundenen Elemente werden durch unsere Sinne nicht erfaßt. Über paradigmatische Beziehungen wie überhaupt über die Realität des Sprachsystems kann man erst sprechen, wenn man vom Bewußtsein eines Individuums oder vom Bewußtsein einer Gruppe von Sprechenden ausgeht. Im Bewußtsein der Sprechenden gibt es Begreifensvermögen dieser Elemente und auch die Fähigkeit, sie auszuwählen und entsprechend dem Kommunikationsziel sowie anderen Sprechsituationen miteinander zu verknüpfen. Diese Kenntnis kann nicht direkt beobachtet werden.

Die Unterscheidung der syntagmatischen und der paradigmatischen Aspekte bei der Beschreibung von Sprachbereichen wird allgemein anerkannt. Theoretisch sollte festgestellt werden, daß bei der Erforschung der Sprache und deren semantischer Struktur beide Aspekte wichtig sind. Trotzdem orientiert man sich praktisch mehr auf paradigmatische Beziehungen. Bei den Forschungen der lexikalischen Semantik wird die größte Aufmerksamkeit jahrelang der semantischen Struktur des Wortes, verschiedenen semantischen Wortgruppen, Sprachfeldern und ähnlichen Dingen geschenkt, sehr wenig ist aber bis jetzt auf dem Gebiet der lexikalischen Syntagmatik getan worden.

Da in unseren Sinnesorganen real nur noch die Rede existiert, können nur noch syntagmatische Beziehungen direkt beobachtet werden. Die Paradigmen aber, da sie das Fundament des Sprachsystems bilden, können nur noch konstruiert werden, indem man sich auf real zu begreifendes Material stützt. A priori kann man die Schlußfolgerung ziehen, daß der Weg der objektiven Beschreibung der Sprache von der Syntagmatik zur Paradigmatik führt. Nur bei der Analyse von Beziehungen der Sprachelemente im Text kann man ein Bild von Sprachsystem bekommen, genauer gesagt, man kann eine Analogiebildung von jenem System konstruieren, das real im Bewußtsein des Sprechenden existiert. L. V. Ščerba schrieb: “vsje jazykovyje [186]veličiny, s kotorymi my operirujem v slovare i grammatike, buduči konceptami, v neposredstvennom opyte (ni v psichologičeskom, ni v fiziologičeskom) nam vovse ne dany, a mogut vyvodit’sja nami liš’ iz processov govorenija i ponimanija…” (Ščerba, 1960, S. 302–303).

Von diesem Standpunkt aus wird das syntagmatische Prinzip der semantischen Analyse zum richtigen Maßstab bei der Festlegung von paradigmatischen Charakteristika der Elemente des lexikalischen Systems (semische Struktur der Bedeutung, semantische Struktur des Wortes, Struktur der semantischen Gruppen). Das syntagmatische Prinzip ist deshalb nicht nur als eine mögliche Methode der semantischen Analyse zu betrachten, sondern auch als Ausgangsbasis, denn gerade hier beginnt das reale Funktionieren der Sprache. Die syntagmatische Konzeption der semantischen Analyse kann die Position des Zuhörers im Redeakt wiederspiegeln. In der Lage eines Zuhörers befindet sich auch der Sprachforscher, vor dessen Augen eine Mehrzahl von Texten liegt und der willig ist, das Sprachsystem, das über diesen Texten ist, zu beschreiben. In diesem Falle kann der Sprachforscher als ein ganz objektiver Beobachter gelten, da er in gewissem Sinne neben der Sprache steht. In manchen Fällen ist überhaupt nur eine solche Position des Sprachforschers denkbar, so ist es z.B., wenn das semantische System der Sprache von früheren Epochen anhand der übriggebliebenen Texte rekonstruiert werden muß oder bei der Beschreibung einer wenig bekannten Sprache.

Aber der Sprachforscher kann auch in der Position eines Sprechenden stehen, wenn er das Sprachsystem (Paradigmatik) als eine Fülle von Möglichkeiten betrachtet, die Texte zu produzieren, d. h. wenn er die Sprache als Bewußtseinsinhalt erforscht. Wir können die paradigmatischen Verhältnisse nicht direkt beobachten, sie befinden sich doch im Bewußtsein der Sprechenden, denn die lexikalischen Bedeutungen selbs sind Realitäten des Bewußtseins (Němec 9. 12. 1982).

Das syntagmatische Prinzip der semantischen Analyse, das wir noch näher besprechen möchten, kann also nicht als einzige und absolut richtige Methode bei der Beschreibung des lexikalischen Systems der Sprache gelten, trotzdem sind wir der Meinung, daß dieses Prinzip primär und objektiver sein kann, wenn man die Texte als Realisation der Sprache betrachtet. Syntagmatische Beziehungen der lexikalischen Einheit sind als wesentlicher Bestandteil ihrer Ausdrucksmöglichkeiten zu betrachten. I. Němec hebt hervor, daß “nejvýraznější prohloubení lexikální analýzy v poslední době připadá na vrub těch prací, které rozšiřují formální rovinu lexikálního znaku o oblast syntaktiky, tj. shledávají formálně-významové klasifikační rysy lexikálních jednotek v jejich spojitelnosti s jinými znakovými jednotkami” (Němec, 1980, S. 50).

Meines Erachtens tritt die Syntagmatik als Ausdrucksebene der Sprache auf, Paradigmatik dagegen (Einheitengehalt und ihre Beziehungen) gehört ganzheitlich der Inhaltsebene an. Elemente der Paradigmatik, also Struktur der lexikalischen Bedeutung, semantische Struktur des Wortes, unterschiedliche ähnlichkeitsbedingte Bedeutungsverknüpfungen (von Synonymem bis zu Sprachfelden) – das alles wird so oder anders im Text aktualisiert (kann aktualisiert werden), d. h. findet seinen Ausdruck in der Syntagmatik. Folglich kann das Verhältnis zwischen Paradigmatik und Syntagmatik als ein Teil des globalen Verhältnisses zwischen der Inhalts- und [187]der Ausdrucksebene der Sprache betrachtet werden. Die Übereinstimmung der Inhaltsebene mit der Ausdrucksebene in der Sprache ist das Gesetz der gleichen Art wie das der Übereinstimmung von Inhalt und Form im allgemeinen.

Die immer wiederkehrende Behauptung, es gebe keine Übereinstimmung zwischen den Ausdrucks- und Inhaltsebenen, ist das Ergebnis eines engen Verstehens der Ausdrucksebene, wenn nicht alle Elemente der Sprachform erfaßt werden. Natürlich spielt dabei eine gewisse Rolle das Prinzip der Asymmetrie des sprachlichen Zeichens von S. Karcevski. Es muß dabei betont werden, daß die Asymmetrie nur noch im System für das sprachliche Zeichen charakteristisch ist – in der Paradigmatik. In der Rede aber – in der Syntagmatik – existieren nur noch symmetrische Sprachzeichen. Auf der Ebene der Rede würde die Asymmetrie die Kommunikation unmöglich machen. Denn, wenn wir manche unsprachlichen Mittel der Kommunikation ausschließen würden – Gesten, Mimik, Bewegungen u. ä., die eigentlich nur eine unbedeutende Rolle spielen, so würde die Tatsache klar, daß jede Bedeutung, sogar feinste Nuancen der Bedeutung, durch bestimmte materielle Mittel ausgedrückt werden; den Bedeutungsunterschied stellen wir immer nach irgendwelchen Formmerkmalen fest, nach der Form also, die zum Ausdruck dieser Bedeutungen dient. Fälle des Mißverstehens oder unterschiedlichen Begreifens mancher Texte werden entweder durch Störungen in der Kommunikationsverbindung oder durch Unzulänglichkeiten des Textes hervorgerufen (ungenügender Kontext) oder wiederum durch Aussagen spezieller Art (Witze, Scherze, Kalauer u.ä.). Kontexte, in denen zwei oder mehrere Bedeutungen zugleich realisiert werden können, sind keine natürlichen Gebilde der Rede, sie werden speziell konstruiert. In der normalen sprachlichen Kommunikation ist das Verhältnis zwischen Form und Inhalt immer 1:1. Die Einheiten der lexikalisch-semantischen Ebene, die real in der Rede auftreten – Sememe – sind symmetrische Sprachzeichen.

Das eben Gesagte führt zur folgenden Schulßfolgerung: da es zwischen der Ausdrucks- und der Inhaltsebene ein Übereinstimmungsverhältnis gibt und die zu beobachtende reale Seite der sprachlichen Tätigkeit ausschließlich die Rede mit ihren ausgedrückten syntagmatischen Beziehungen zwischen den Spracheinheiten ist, so sollte die syntagmatische Analyse bei der Erforschung der Sprachsysteme und derer Subsysteme (teilweise auch für das lexikalisch-semantische System) ausschlaggebend sein. Schon in früheren Zeiten betonten die Sprachforscher die Bedeutung der Analyse von Wortbeziehungen in einer Aussage. Ch. Bally stellte fest: “Der Wichtigste die Bedeutung einer lexikalischen Einheit bestimmende Faktor ist der Kontext: im Kontext kann man nämlich zahlreiche zuverlässige Daten finden” (Bally, 1961, S. 119).

Die syntagmatische Analyse wird in der modernen Lexikologie zur Beschreibung verschiedener semantischer Einheiten und Verbindungen, wie z. B. der Bedeutungsäquivalenz, semantischer Struktur des Wortes und semantischer Gruppen, verwendet (siehe Suprun, 1975, S. 967; Plotnikov, 1979).

Hier wollen wir versuchen, die Regeln der syntagmatischen Analyse zur Bestimmung des Gehalts der lexikalischen Bedeutung zu formulieren. Eine Grundlage dafür bilden zwei Postulate:

1) Die Form des Semems ist nicht nur die phonetische Hülle (phonetisches Wort), sondern auch die morphologische Variation und, was das Wichtigste ist, auch die [188]Gesamtheit der Verbindungen des Semems mit anderen Sememen in der Textumgebung, d. h. syntagmatische Merkmale des Semems. Die Beziehung zwischen der Bedeutung der lexikalischen Einheit und deren morphematischen Bau wie auch deren syntagmatische Vereinbarkeit (Verbindbarkeit, “spojitelnost”) wird von tschechischer historischen Lexikologie und Lexikographie seit 1968 konsequent betrachtet (siehe Němec, 1968a, S. 22–27; 1968b, S. 23–26).

2) Die Vereinbarkeit der Wörter im Text wird durch das Gesetz der semantischen Kongruenz geregelt, das einen universellen Charakter hat, und dessen Wesen darin liegt, daß es innerhalb der kongruierenden Sememe gemeinsame Seme gibt (ein solches gemeinsames Sem wird von I. Němec “valenční sém” genannt, siehe Němec, 1992, S. 49, 51). Der Charakter der semantischen Kongruenz kann sehr variieren, sogar bis zu absichtlichem Auseinanderrücken der kongruierenden Sememe.

Auf der Grundlage dieser Leitsätze kann man das erste Arbeitsverfahren zur Bestimmung des Sembestandes in der Bedeutung formulieren: wenn das Semem A frei mit Sememem B, C, D kongruieren kann, dann gibt es in der Bedeutung des Semems A ein mit Sememen B, C, D gemeinsames Sem. Folglich besteht die Hauptaufgabe darin, den gemeinsamen Nenner in den Bedeutungen der Wörter, die eine gewisse Position bei dem zu erforschenden Wort gewinnen können, zu finden und natürlich auch in der genügenden auswahl solcher Wörter. Z. B., das Wort gorjačij läßt sich mit den Worten ljubov’, družba, vera, čuvstvo, blagodarnost’, želanije, odobrenije, sočuvstvije, učastije, slezy, stremlenije k dobru, vera v sčast’je u. ä. verbinden; alle diese Wörter benennen positive emotionale Verhältnisse, d. h. in der Bedeutung des Semems gorjačij kann man das Vorhandensein der Seme “das Merkmal des emotionalen Befindens” und “positiv” feststellen. Bei der absoluten Übereinstimmung, wenn ein Wort sich nur mit 1–2 Wörtern verbindet, d. h. wenn es absolute semantische Kongruenz gibt, dann gehört die ganze Bedeutung der freien Komponente zum Bedeutungsbestand des mit ihm kongruierenden Wortes. Z. B., in der Bedeutung des Wortes navytjažku gibt es alle Seme des Semems stojat’ “stehen” und “gerade”, “Arme an den Seiten”; in der Bedeutung des Semems des Wortes uščerbnyj, das nur mit dem Wort mesjac “Mond” kongruiert, wurde ganz das Sem “über den Mond” eingeschlossen (in der Verbindung mit Semen “in der Periode seines Abnehmens,” und “hat die Form einer Sichel”).[1]

I. Němec betont die erstrangige Rolle der paradigmatischen Beziehungen bei der Bestimmung des Sembestandes der Bedeutung (siehe weiter), und ist der Meinung, daß eine gewisse semantische Komponente für die im Kontext existierenden bedeutungsnahen Lexeme gemeinsam sein kann, z. B. “v češtině libý vztah (mluvčího ku označované skutečnosti) je jazykově ztvárněn ’na ose paradigmatické’ jako společný sémantický komponent deminutiv, a ’na ose syntagmatické’ jako společný sémantický komponent jednotek s deminutivy spojitelných: např. o témž denotátu lze tu říci lavice i lavička, ale podrobnější statistický rozbor ukazuje, že lavička se užívá jen ve spojení se slovy, která naznačují menší rozměr onoho denotátu nebo obsahují sémantický komponent libosti a tak signalizují příjemnost prostředí (milé [189]lavičky, lavička v parku [park = příjemné prostředí], milenci na lavičkách, vdovička každému lavička apod.)” (Němec 2. 9. 1980).

Die Möglichkeit, den Sembestand einer Bedeutung nach den Bedeutungen der kongruierenden Wörter zu bestimmen, wurde schon längst festgestellt. E. Coseriu hat den Begriff lexikalischer Solidarität als Ausdruck einer engen Verbindung zwischen der Paradigmatik und Syntagmatik eingeführt (Coseriu, 1969). Laut E. Coseriu die in der Distribution der Bedeutung zu unterscheidenden Seme sind auch Seme derselben Bedeutung; z. B. in der Bedeutung fahren gibt es das Sem “Transportmittel”, denn dieses Wort läßt sich mit Benennungen von Transportmitteln wie Schiff, Zug, Wagen, Boot verbinden usw. (Vgl. Coseriu, 1979, S. 21–22.)

Der Sembestand der Bedeutung läßt sich nicht nur nach vorherrschender Vereinbarkeit des Semems feststellen, sondern auch nach seiner Unfähigkeit, sich mit bestimmten Gruppen von Wörten zu verbinden. Daher kann man die zweite Regel formulieren: wenn das Semem A sich mit den Sememen B, C, D in den Bedeutungen, in denen ein bestimmtes Sem ist, nicht verbinden kann, so zeugt es davon, daß in der Bedeutung des Semems A ein Sem von gegensätzlichem Inhalt ist. Z. B., das Semem vsmatryvat’sja kann sich nicht verbinden mit Adverbien slučajno, nevnimatel’no, nečajanno, rassejanno in den Bedeutungen, in denen das Sem ist “keine oder sehr unbedeutende Aufmerksamkeit” vorliegt, d. h., in der Bedeutung des Semems vsmatrivat’sja kann man das gegensätzliche Sem “die Intensität der Aufmerksamkeit” unterscheiden, und das wird durch die Vereinbarkeit dieses Semems mit Adverbien vnimatel’no, sosredotočenno, naprjaženno u. ä. bestätigt.

Die Bestimmung des Sembestandes einer Bedeutung nach der Unfähigkeit des Semems, sich mit anderen Sememen zu verbinden, ist dadurch begrenzt, daß nur einige Sememe antonyme Sememe haben können. Z. B., bei der Bestimmung des Inhalts von Semem bučet kann es nur wenig helfen, daß dieses Semem sich mit dem Semem kůň nicht verbinden läßt, denn es gibt kein Antonym zum Semem kůň, folglich gibt es auch kein gegensätzliches Sem. Trotzdem wird in vielen Beiträgen diese Regel der Unvereinbarkeit verwendet; auf solche Weise wurden folgende Schlußfolgerungen gezogen: z. B., in der übertragenen Bedeutung können mit dem Wort oblako Wortgruppen oblako zadumčivosti, oblako nedoumenija, oblako grusti gebildet werden, aber keinesfalls läßt sich das Wort oblako mit den Substantiven smech, radost’, udovol’stvije, doverije verbinden. Das alles signalisiert über das Vorhandensein des Sems “Äußerung von trüben, negativen Gefühlen” und keinesfalls “Äußerung guter Stimmung oder überhaupt irgendwelchen positiven Zustands” (Kotelova, 1975, S. 77). Die Verben šestvovat’, vystupat’ lassen sich nicht verbinden mit den Adverbien neuverenno, robko, bojazlivo, vrazvalku, sognuvšis’, bystro, pospešno; das zeugt von dem Vorhandensein in ihnen der Seme “toržestvenno, važno, netoroplivo” (Rozanova, 1972, S. 76).

Es gibt verschiedene Methoden zur Bestimmung des Sembestandes einer Bedeutung. Die Grundlage dafür bieten verschiedene Vergleichsverfahren von Bedeutung, und das ist eben die Analyse der paradigmatischen Beziehungen. Sehr oft wird folgende Methode angewandt: bei dem Vergleich der Bedeutungen stellt man das Vorhandensein eines Sems nach dem “semantischen Rest” fest, d. h. das, was sich mit dem Inhalt zweier Bedeutungen nicht deckt, wird für ein anderes einzelnes Sem gehalten. Wenn wir Semem řehtat und bučet vergleichen würden, so wäre [190]es nicht schwer, folgende Schlußfolgerungen zu ziehen: für beide Bedeutungen ist es gemeinsam, daß “ein Laut hervorgegeben wird” und daß es “von einem Tier kommt”, aber im ersten Fall stimmt der Teil “vom Pferd” mit dem zweiten “von der Kuh” nicht überein. Diese Teile nennt man also differente Seme der Bedeutungen. In diesem Fall wird das Vorhandensein des Sems unmittelbar durch die Kenntnis der Sprache festgestellt, und die Vergleichsmethode trägt nur noch dazu bei, diese Kenntnis zu explizieren.

Natürlich ist es richtig, daß “paradigmatické příznaky (…) jsou obsahem vědomí mluvčích (jako asociace), a vědomí mluvčích přece konstituuje obecný (systémový, languový, neparolový) lexikální význam” (Němec 12. 9. 1982). Est ist auch richtig, daß zur Kenntnis der Sprache die Fähigkeit gehört, die Sememe zu verbinden und auch die Gesetzmäßigkeiten des Wortgebrauchs zu kennen. Man könnte wahrscheinlich lange darüber diskutieren, was primär sein sollte: Begreifen von paradigmatischen Merkmalen der Sememe oder das Kennen der syntagmatischen Regeln. Wir sind der Meinung, daß beides wichtig ist. Es kommt darauf an, von welchem Standpunkt aus wir die Sprache betrachten wollen: für den Sprechenden sind offensichtlich die paradigmatischen Eigenschaften primär, für den Zuhörer – sowohl paradigmatische als auch syntagmatische und für einen objektiven Sprachforscher, der sich mit dem Redeakt befassen möchte, wären die syntagmatischen Eigenschaften primär.

I. Němec hält die paradigmatischen Beziehungen für einen sehr wichtigen Maßstab zur Bestimmung des Sembestandes einer Bedeutung. Die lexikalische Bedeutung als “psychický odraz skutečnosti (…) jazykově ztvárněný formou lexému a jejím vztahem k jiným jednotkám (…)” (Němec 6. 8. 1980) bezeichnend, ist er der Meinung, daß in der lexikalischen Bedeutung solche Seme relevant sind, die in der Sprache einen formellen ausdruck haben, d. h. wenn gewisse Merkmale der Realität in der Sprache formalsemantischen Kategorien haben.

Das Wesen seiner Methodik der Bestimmung des Sembestandes einer Bedeutung liegt darin, daß eine Bedeutung in der Paradigmatik anderen Bedeutungen gegenübergestellt wird (syntagmatische Beziehungen werden dabei auch in Betracht gezogen), und wenn das voraussichtliche Sem im lexikalischen System der Sprache seinen Ausdruck hat, dann wird es in den Bestand der zu erforschenden Bedeutung eingeschlossen. Z. B., im Wort letadlo unterscheidet man Seme “Gegenständlichkeit” (denn formelle Merkmale – Wortformveränderungen – zeugen von der Zugehörigkeit dieses Wortes zur Kategorie der Substantive), “Mittel, Vorrichtung” (nach dem Formant – dlo kommt das Wort in die lexikologische Reihe, die Vorrichtungen für bestimmte Tätigkeit bezeichnet), “Bewegung in der Luft” (nach dem Stamm leta-, der für die gesamte Wortbildungsreihe gleich ist und dessen Ableitungen mit der Bedeutung “fliegen” verbunden sind), “Transportmittel” (nach den syntagmatischen Merkmalen und nach den Wörtern, die ähnliche Bedeutung haben: “Flugzeug”, “Boot”, “Zug” u. ä.), auch bei der Gegenüberstellung von letadlo und von Wörtern desselben Sprachfeldes balon, vrtulník, raketa, vzducholoď werden Seme “Vorhandensein der Flügel”, “Bewegung mit Hilfe des Propellers oder Raketentriebwerkes” festgestellt (Němec, 1980, s. 39–41).

Doch auch die so konstruierte paradigmatische Methode der Sembestimmung ist eher eine gute Argumentation für die vom Sprachforscher gewählte Position, [191]keinesfalls aber eine Bestätigung der absoluten Vorteile jener Methode im Vergleich mit der syntagmatischen Konzeption. Durch beide Methoden erzielte Resultate scheinen meistens adäquat zu sein. Z. B., der Unterschied der Bedeutung zwischen odvrátit und zamezit hat eine Systemgrundlage, denn in der Sprache existiert das Subsystem von negativen Erscheinungen, d. h. er wird durch das Sem “über unerwünschte, unangenehme Handlung, Erscheinung” bestätigt (Němec 22. 12. 1992). Diese semantische Komponente ist auch von der syntagmatischen Sicht aus real existierend, denn odvrátit verbindet sich nur mit pohroma, nebezpečí, neštěstí …, d. h. mit Sememen, in deren Bedeutung ganz klar das Sem “über unerwünschte, unangenehme Handlung, Erscheinung” zum Ausdruck kommt, ergo dieses Sem gibt es auch in der Bedeutung des Wortes odvrátit.

Es ist symptomatisch, daß bei der Feststellung der Semrelevanz sowohl in der paradigmatischen als auch in der syntagmatischen Methodik die gleichen Schwierigkeiten in Bezug auf dieselben Sememe entstehen. Das sind vor allem die konkreten lexikalischen Bedeutungen.

Die größte Schwierigkeit besteht darin, daß die Verbindung der konkreten Lexeme mit der Realität viel stärker ist, und es gibt keine klaren Grenzen zwischen den Merkmalen der Realitätserscheinungen und der Bedeutungsseme, d. h. es ist schwer, ein Kriterium zu finden, nach dem sich feststellen ließe, welche Merkmale der Bedeutung gelten können und welche nicht. Deshalb gibt es Sprachforscher, die der Meinung sind, daß die Bedeutungen solcher Wörter wie Birke, Linde, Tisch, Bank überhaupt keine semischen Strukturen seien (Šmelev, 1973, S. 150, 153).

I. Němec meint, daß in solchen Fällen die syntagmatische Analyse auch solche Komponenten bestätigen kann, die nur Komponenten von kognitiven Begriffen oder Termini sind, aber keine Bedeutungsseme eines einfachen Wortes.

Wir sind der Meinung, daß solche Schwierigkeiten auch dann entstehen, wenn man das paradigmatische Prinzip anwendet. Z. B., die Realität des Sems “leichter als die Luft” in der Bedeutung des Wortes vrtulník wird dadurch begründet, daß “čeština má pro jevy s rysem ’lehčí než vzduch’ vybudovaný dílčí lexikální systém – slovní čeleď se základem balon (letecký balon, dětský balonek na provázku, balonový sport aj.)” (Němec 6. 8. 1980).

Die Komponente “kolmý start” wird als Bedeutungssem nicht anerkannt, denn es gibt keine entsprechende formell-semantische Kategorie (lexikalisches Subsystem). Aber im Sprachbewußtsein scheint das Sem “kolmý start” ziemlich wichtig zu sein, und “lehčí než vzduch” ist zweifelhaft, sogar in der Bedeutung des Wortes balon, weil im alltäglichen Leben und Denken die Luft als schwerelos gilt.

Analoge Schwierigkeiten enstehen auch bei der syntagmatischen Analyse. Je konkreter die Bedeutung ist, desto schwächer ist die semantische Kongruenz und desto freier sind die Verbindungen. In der Distribution eines solchen Lexems kann man viele Komponenten unterscheiden, dabei ist es aber fraglich, ob sie alle Bedeutungsseme sein werden, oder nur noch Begriffsmerkmale. Z. B., ob das Sem der Blattform zur Bedeutung solcher Wörter gehört wie javor, lípa, wenn diese Wörter im Text Attribute haben dlanitý, laločnatý list javoru, srdčité listy lípy?

Die Vereinbarkeit der Wörter, also auch einige syntagmatische Lexemsmerkmale haben letzten Endes einen Wahrscheinlichkeitscharakter, und das steht mit der diffusen Art der lexikalischen Bedeutung in der Paradigmatik in wechselseitiger [192]Beziehung. Trotz dieser schwachen Stellen der syntagmatischen Methodik, die einen objektiven Charakter haben, denn vieles hängt von der inhaltsbesonderheiten der Sememe ab, sind wir der Meinung, daß bei der Erforschung des lexikalischen Systems in vielen Fällen die syntagmatische Betrachtungsweise der paradigmatischen vorzuziehen ist.

Die syntagmatische Analyse ist der Ausgangspunkt bei der Zusammenstellung von erklärenden Wörtebüchern. Obwohl bei den erklärenden Wörterbüchern die Kriterien, nach welchen Bedeutungsinhalte festgestellt werden, meistens nicht streng bestimmt sind, ist es allgemein bekannt, daß diese Arbeit auf der Analyse einer großen Menge von Wortgebrauchsfällen in konkreten Texten beruht. Der beste Beweis dafür sind reiche Karteien der Wörterbücher. Jeder, der sich einmal mit dem Studium der Bedeutungen befaßt hat, kennt das Gefühl des Verlangens nach realen Texten, in denen die Realisation der nötigen Bedeutungen zum Ausdruck kommt. Das Verlangen nach Bestätigung der Hypothese des Sprachforschers in Texten in bezug auf die Relevanz eines oder anderes Sems in der Bedeutung ist um so größer, je weiter sich die Bedeutung an der Peripherie des lexikalisch-semantischen Systems befindet, d. h. je weniger offensichtlich und unverkennbar ihre gewöhnliche Vereinbarkeit für den Sprachforscher ist.

Tatsächlich geht die syntagmatische Analyse der paradigmatischen wahrscheinlich meistens voraus, nur nicht immer unmittelbar, nicht immer bewußt und unverhüllt. Bei einer objektiveren Art des Herangehens and die Sprache als Erscheinung, die nicht in dem Sprachforscher selbst, sondern außerhalb seiner Person liegt, erscheint die Explikation der syntagmatischen Analyse sehr erwünscht. Die Syntagmatik ist ein zuverlässiges Fundament für paradigmatische Konstruktionen.

 

LITERATUR

 

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Šmelev, D. N.: Problemy semantičeskogo analiza leksiki. Moskva 1973.

 

[193]R É S U M É

Syntagmatický a paradigmatický přístup v sémantické analýze

Ve stati se řeší otázka vztahu syntagmatické a paradigmatické metody v sémantické analýze. Obě lze úspěšně uplatnit a mohou přinést dobré výsledky, ale každá má určité nedostatky. Protože v řeči vnímáme jen syntagmatické vztahy, zatímco paradigmatické existují toliko ve vědomí mluvčího, zastává autor článku názor, že v mnoha případech je třeba syntagmatickou metodu považovat za primární. Syntagmatická analýza poskytuje pak primární data pro adekvátní popis paradigmatických struktur.


[1] Hier, wie auch beim Wort gorjačij, werden keine anderen Typen der Vereinbarkeit in Betracht gezogen, die über andere Sememe der zu analysierenden Wörter signalisieren (z. B. Vereinbarkeit des Wortes uščerbnyj mit den Wörtern talant, krasota, razvitije, wobei das Semem “etwas, was im Verfall ist, nicht vollwertig ist” realisiert wird).

Slovo a slovesnost, volume 55 (1994), number 3, pp. 185-193

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