Daniela Škvorová
[Články]
„Hovory“ a rozhovory jako problém komunikativní a umělecký
„Unterhaltungen” und Gespräche – zwei Begriffe, die sich ähnlich und doch unterschiedlich sind – vereint das Prinzip des Gesprochenen. Es wird meistens in komplementärer Beziehung zum Geschriebenen und auch zur Schriftsprachlichkeit aufgefasst, auch wenn das umgangssprachliche Tschechisch als gesprochene Form der Schriftsprache charakterisiert werden kann. Auch wenn man häufig mit der Umgangssprachlichkeit nicht schriftsprachliche Sprache meint, weil sich in ihr nicht nur Elemente des umgangssprachlichen Tschechisch mischen, sondern vor allem auch Elemente des allgemeinen Tschechisch, Slangs, Dialekts usw. Patrik Ouředník verwendet in seinem „Schmierbuch der tschechischen Sprache” (Ouředník, 1992) in diesem Sinne die Redewendung „unkonventionelles Tschechisch”. Diese Oszillation zwischen Schriftsprachlichkeit und Nichtschriftsprachlichkeit, zwischen unkonventioneller Umgangssprachlichkeit (der gewöhnlich gesprochenen Rede) einerseits und der künstlerischen, authentischen, stilisierten und durch Buchstaben fixierten Umgangssprachlichkeit andererseits sind zum Gegenstand auch einiger meiner Bemerkungen geworden.
Beginnen wir mit dem zweiten Begriff – mit den Gesprächen. Auf dem Kommunikationsgebiet ist die typischste Art der Gespräche das Interview. Das Interwiew hat Dialogform und tritt sowohl in mündlicher, als auch in schriftlicher Form auf. An seiner Entstehung beteiligen sich zwei Akteure: der Interviewende und der Interviewte. Der Schwerpunkt des Interviews besteht in den Antworten der befragten Person, des Interviewten. Doch die Aufgabe des Fragenden ist keinesfalls weniger wichtig. Ihm gehört die Rolle des Schöpfers, des Sinngebenden, des Leitenden, des Regisseurs, des Modifikators und des entgültigen Textsyntetikers (des gesprochenen, wie des geschriebenen Textes). Beim Interview handelt es sich um eine besondere Nachrichtenart, also um eine besondere Form der Informationsvermittlung. Diese kann jedoch nicht beliebig konzipiert werden, und zwar aus verschiedenen Gründen: es sind vor allem Ansichten einer interressanten, bzw. bedeutend anerkannten Persönlichkeit. Eine wichtige Rolle spielen dabei der Charakter und die Struktur der Fragen, bzw. es handelt sich hier auch um Auseinandersetzungen mit der Erfahrung des Fragenden, d. h. mit einer gewissen Anzahl interviewter Personen, z. B. bei Fragestellungen zu einem bestimmten Diskurs einer bestimmten Zeit und bestimmter Situationen („Tschechische Gespräche”, Lederer, 1991). Ein in der Art so konzipiertes, programmiertes und modelliertes Gespräch kann unter Umständen ziemlich stereotyp wirken. Es determiniert, verwischt oder unterdrückt sogar die Persönlichkeit des Gefragten, so daß er sich in einer erzwungenen Lage zu befinden fühlt: in einer Lage des Manipulierten, des Determinierten, des Beschränkten, des klinischen Objekts. Es sei jedoch zu erwähnen, daß besonders eigenartige, temperamentvolle, ungezwungene Persönlichkeiten gar nicht bereit sind, sich einem Paradigma vorbereiteter Fragen zu unterwerfen. So entsteht bei vorhandener Bereitschaft des fragenden Redakteurs ein wirklich lebhafter, authentischer Dialog. Die besprochene Uniformität des Befragens zeigt jedoch auch gewisse Vorteile: die Auseinandersetzung von Ansichten verschiedener Personen zu gleichen Fragen ermöglicht ein viel dynamischeres, vielfältigeres und plastischeres Zeitbild zu geben. Im Zentrum des Interviews stehen dann nicht die Persönlichkeit des Befragten, sondern vielmehr die Zeitprobleme, postuliert mit Hilfe der Struktur von Fragen. Hier zeigt sich deutlich und ausdrücklich die Programmrolle [233]des Fragenden. Als Beispiel seien die „Tschechischen Gespräche” von Jiří Lederer (Lederer, 1991). Am anderen Pol finden wir die Interviews Karel Hvížďalas „Fernverhör” (Hvížďala, 1989), der die Persönlichkeit des Interviewten voll berücksichtigt und das im voraus vorbereitete Fragenschema anpassungsfähig und funktionell modifiziert – während des Gesprächs, eventuell beim Austausch der Fragen und Antworten. Also läßt er voll die befragte und „verhörte” Persönlichkeit zur Geltung kommen; vgl. das Buch „Fernverhör (Hvížďala, 1989) oder das Buch „Privater Aufstand” von Pavel Landovský (Landovský, 1990). Hvížďalas Interviews sind dadurch spezifisch und eigentlich auch atypisch, da es sich häufig nur um fiktive gesprochene Gespräche handelt. Hvížďalas Interviews im Falle der „Tschechischen Gespräche” im Ausland als Ergänzung zu Lederers Gesprächen, sind typisch für die Form vom Fernverhör; d. h. für Gespräche, bzw. bestimmte Fragen an mehrere Personen, die einen schriftlichen, bzw. Briefwechselcharakter beibehalten wollen. Noch weiter von der Authentizität des Gesprochenen zur Stilisiertheit des Redakteursstils begibt sich z. B. Jiří Janoušek in seinen „Gesprächen mit Jan Werich” (Janoušek, 1986). In der Einleitung zur zweiten Ausgabe erklärt Janoušek seinen methodischen Vorgang bei der Entstehung dieses Gesprächsbuches: „Die aufgezeichneten Tonbänder habe ich gewöhnlich gleich am darauf folgenden Tag verarbeitet und mit Anmerkungen dessen, was ich noch frisch im Gedächtnis hatte, vervollständigt: diese authentischen Aufzeichnungen und Erlebnisse habe ich dann redigiert und adaptiert und in Kapitel komprimiert, deren Reihenfolge natürlich nicht identisch mit der Reihenfolge unserer Treffen war. Die einzelnen Gespräche sind voneinander getrennt durch Beispiele dessen, was Werich tat. Es handelt sich um eine Auswahl…” (Janoušek, 1986, S. 7). Wie einer der Rezensenten richtig bemerkte – das Buch „wurde zur letzten und wahrscheinlich wichtigsten Vorbühne Werichs” (Janoušek, 1986, S. 9).
Die Vorbühnen von Werich und Voskovec oder Horníček waren im Grunde genommen absurde Dialoge. Das Buch „Gespräche mit Jan Werich” von Janoušek (Janoušek, 1986) ist nicht absurd, im Gegenteil. Was die erwähnten Arbeiten gemeinsam haben, ist die Tatsache, daß es sich um künstlerisch stilisierte Dialoge handelt; es sind keinesfalls authentische Dialoge mit der Funktion einer Nachrichtenkommunikativität. Die Arbeit von Janoušek bewegt sich an der Grenze der beletristischen Stilisiertheit und der Ausdrucksart des Berichterstatters. Die Vorbühnen von Werich, Voskovec und Horníček sind Dialoge, in denen das ästhetische Prinzip dominiert. Die Mitteilung, die aktuelle Zeitnotiz, wird in künstlerischer Form wiedergesehen. Grundsätzlich ist jedoch: der Adressat ist nicht nur passiver Empfäger, sondern er wird zum gleichwertigen Partner in diesem Dialog. „Der wichtigste Partner und Mitspieler eines improvisierenden Clowns war, ist und wird das Publikum sein” (Horníček, 1991, S. 57). Die Grundessenz der Vorbühne ist im Improvisieren. Das bedeutet keineswegs, daß der auf der Vorbühne präsentierte Dialog nicht vorbereitet gewesen wäre. Er ist vorbereitet wie der Redakteur, der seine Fragen an die interviewte Persönlichkeit bereitet hat. Während sich jedoch die vorbereitete Komposition des Interviews aufgrund verschiedener Reaktionen und Antworten des Befragten ändert, so kommt es in den Dialogen an der Vorbühne zu. Eine Umgestaltung folgt des in groben Umrissen vorbereiteten Dialogs; vor allem auf Grund dieser beiden Ursachen: (1) Abweichung eines der Dialogpartner vom vorbereiteten Schema (ähnlich wie beim Interview); (2) aufgrund der Anwesenheit und Reaktion des Publikums, das mit seinem Lachen zum Mitakteur der Vorbühne wird. Voskovec mit Werich oder Werich mit Horníček – zwei Clowns im Gespräch zu aktuellen Themen vor dem Publikum – führen nicht nur aktuell orientierte Dialoge mit dem Publikum. Sie führen gleichzeitig auch Gespräche und Dialoge jeder mit sich selbst und für sich, der Spontaneität und Freude wegen, wobei etwas entsteht, was man als Dada-Interview bezeichnen kann; im Theaterstück „Těžká Barbora” (Die dicke Berta) kommt es sogar zu einem Interview während des Vorbühneauftritts. Es handelt sich also um etwas wie einen künstle[234]rischen Metadialog, ein Metagespräch. Dieser befreite, freimütige und freudige Dada–Dialog sowie der akutell orientierte Dialog mit dem Publikum haben sich an den Vorbühnen mit Werich und seinem Partner gemeinsam verbunden. Horníček (1991) verglich das Lachen „wehend wie eine Gardine, flatternd wie ein Schmetterling, wie ein Blitz vom Himmel oder wie eine fallende Lawine”, welches zwischen der Bühne und dem Publikum resoniert, zu einem „Ball, mit dem man entweder allein spielt oder mit den Zuschauern” und dazu ergänzt er: „Ich habe gelernt mit drei Bällen auf einmal zu spielen” (Horníček, 1991, s. 59). Tatsächlich. Werichs Vorbühnen sind Spitzennummern der Gesprächsclowniade.
Einen ähnlichen Prozeß können wir verfolgen auch bei der Umwandlung der Alltagsgespräche (auf der Straße, im Gasthaus), also der Gespräche als Quelle der Inspiration des künstlerischen Schaffens in die stilisierten Gespräche im Werk Bohumil Hrabals. Man kann z. B. sein Buch „Perlchen auf dem Boden” (Hrabal, 1964) erwähnen. Hrabal selbst gab seinem Buch den Untertitel „hovory” (Unterhaltungen, Reden), womit er die Entstehung eines neuen literarischen Genres prädestinierte – so genannter „Unterhaltung”, also eines künstlerisch stilisierten Gesprächs. Die Literaturwissenschaft akzeptiert im allgemeinen die Meinung, daß eine entscheidende Rolle im Werk Hrabals die Umgangssprache spielt, im besonderen das so genannte „Kneipengeschwätz” (Černý, 1975, S. 48). Die Gespräche im Gasthaus haben ihre Kommunikationscharakteristik, sowie Funktionalität, sie haben jedoch auch „viele ästhetische und paraästhetische Reize” (Černý, 1975, S. 49). Hrabal selbst potenziert noch diese Eigenschaften, Zeichnen. Zu den Merkmalen des Kneipengeschwätzes gehört nach Černý vor allem ein ausschweifendes, freies, oftmal sogar brutales Spiel mit der Sprache (Ausdrücke des Slangs, Argots, aufgelockerte Syntax, Auflockerung der Morphologie usw.), welches mit der sprachlichen Redundanz erzählerischer Genußsucht, sowie mit Hyperbolismus kombiniert wird. Diese Eigenschaften des Kneipengeschwätzes haben sich nach Černý ideell mit der persönlichen Redundanz erzählerischer Genußsucht, sowie mit Hyperbolismus kombiniert wird. Diese Eigenschaften des Kneipengeschwätzes haben sich nach Černý ideell mit den persönlichen Eigenschaften Hrabals verflochten, besonders mit seinem „biographisch–psychisch–moralischem Substrat” (Černý, 1975, S. 49). Das Resultat ist ein Kunstwerk, in dem sich alles frei und unabhängig im freien Raum bewegt. Hrabals „Unterhaltungen”, die eine groteske Gestalt besitzen, entsprechen gerade dem Typ des Kneipengeschwätzes, in dem man „pábí” (baffelt), nicht zuletzt auch imaginativ wird, in dem eine überschwänkte Phantasie und Trunksucht, die Nichtigkeit und Leere, Not und Absurdität des Lebens zu übertrumpfen versucht. Der End–und Gleitwert des Gasthausgeschwätzes, sowie Hrabals künstlerische Stilisierung der im Terrain abgehörten Gespräche besteht im befreienden, befreiten und freudigen, obwohl oftmal auch tragikomischen Lachen. Die Authentizität des Kneipengeschwätzes aktualisierte Hrabal in seinen quasistilisierten Gesprächen zu einer Quasi–Originalität oder Quasi–Authentizität einer nur einen Menschen betreffenden Kommunikation, die auf der künstlerischen Ebene seiner Aussage zu einer wahrhaftigen Realität wurde. Die Authentizität des Kneipengeschwätzes beförderte Hrabal in seinen „Unterhaltungen” zu einer Originalität oder Authentizität des Künstlerischen. Er entnahm, um die Meinung Šaldas zu Neruda zu paraphrasieren, noch die ungekämmten und ungewaschenen Gespräche der Gasthäuser und machte daraus die Gesandten der Ewigkeit.
[235]LITERATUR
Černý, V.: Za hádankami Bohumila Hrabala – pokus interpretační. Petlice, Praha 1975.
Horníček, M.: Hovory s Janem Werichem. Panorama, Praha 1991.
Hrabal, B.: Perlička na dně. Čs. spisovatel, Praha 1964.
Hvížďala, K.: Dálkový výslech. Melantrich, Praha 1989.
Janoušek, J.: Hovory s Janem Werichem. Mladá fronta, Praha 1986.
Landovský, P: Soukromá vzpoura. Mladá fronta, Praha 1990.
Lederer, J.: České rozhovory. Čs. spisovatel, Praha 1991.
Mistrík, J.: Žánre vecnej literatúry. APN, Bratislava 1975.
Ouředník, P.: Šmírbuch jazyka českého. Ivo Železný, Praha 1992.
R É S U M É
Mluvenost tradičně chápaná v protikladu k psanosti a v určitém smyslu i ke spisovnosti je zde primárně nahlížena z opozičního aspektu komunikativnosti a uměleckosti. „Hovory” jsou zde chápány na jedné straně jako inspirační zdroj některých próz B. Hrabala, na druhé straně i jako jejich žánrová charakteristika. Jedná se o dva protikladné typy komunikativnosti: jednak o komunikativnost improvizovanou, běžnou, „hospodskou”, jednak o vysoce umělecky stylizovanou hovorovost. Současně je analyzován problém rozhovorů ze dvou aspektů: (1) čistě komunikativního (Ledererovy a Hvížďalovy rozhovory, v nichž hraje také důležitou roli opozice mluvenost – psanost, připravenost – nepřipravenost), (2) umělecky stylizovaného (rozhovory mezi J. Werichem a M. Horníčkem na předscéně za účasti diváků, spolutvůrců těchto rozhovorů).
Ústav pro jazyk český AV ČR
Praha
Slovo a slovesnost, ročník 54 (1993), číslo 3, s. 232-235
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