Časopis Slovo a slovesnost
en cz

Semantische und pragmatische Aspekte äusserungskommentierender Gesprächsformeln

Dieter Viehweger (Berlin)

[Articles]

(pdf)

Sémantické a pragmatické aspekty konverzačních formulí komentujících výpověď / Les aspects sémantiques et pragmatiques des formules de conversation en fonction du commentaire de l’énoncé

1. Vorbemerkungen

Es ist eine triviale Feststellung, dass ein Sprecher seine kommunikative Absicht nicht losgelöst von den konkreten Bedingungen realisiert, unter denen die Kommunikation stattfindet. In das komplexe Gefüge notwendiger Bedingungen für eine erfolgreiche Kommunikation gehören neben den Intentionen, Anschauungen, Erwartungen und Interessen des Sprechers, den anderen Sprechhandlungen, die in demselben Kontext vollzogen werden, auch die Annahmen, die ein Sprecher in bezug auf das Wissen, die Fähigkeiten und Interessen des Hörers macht. Die Annahmen, die ein Sprecher trifft, bevor die konkreten sprachlichen Handlungen und Operationen ausgeführt werden, determinieren entscheidend den Explizitätsgrad der sprachlichen Äusserungen, die beim Vollzug der sprachlichen Handlungen gebildet werden.[1]

Menschliche Kommunikation funktioniert jedoch nicht in dem Sinne, dass die angestrebten Kommunikationsziele in einer konkreten Situation stets sicher erreicht werden, da ein Sprecher vielfach nicht alle Faktoren der jeweils gegebenen Situation berücksichtigt und diese zu Voraussetzungen seiner sprachlichen Handlungen macht. Kommunikation kann somit von Kommunikationsstörungen und Kommunikationskonflikten unterschiedlicher Art begleitet sein. So kommt es beispielsweise zu Kommunikationsstörungen, wenn der Hörer nicht in der Lage ist, die in einen Text eingeführten Objekte zu identifizieren, d. h. von allen anderen Objekten im relevanten Objektbereich auszusondern, und die ihnen zugeschriebenen Prädikate zu rekonstruieren. Zu Kommunikationskonflikten kommt es ebenfalls, wenn es dem Hörer nicht gelingt, die kommunikative Funktion einer Äusserung bzw. die mit ihr verbundenen charakteristischen Einstellungen des Sprechers zu interpretieren. Im Zusammenhang mit der sprachlich-kommunikativen Tätigkeit haben die Mitglieder einer Kommunikationsgemeinschaft die Fähigkeit entwickelt, Kommunikationsstörungen sowohl prophylaktisch zu verhindern als auch im nachhinein zu beseitigen. Zu den sprachlichen Mitteln, mit denen ein Sprecher Kommunikationskonflikte vermeiden bzw. Kommunikationsstörungen beseitigen kann, gehören gesprächssteuernde Mittel verschiedener Art, Verständigungselemente wie sozusagen, wenn Sie so wollen, explizite performative Formeln, äusserungskommentierende Gesprächsformeln wie offen gesagt, kurz gesagt, die die Funktion haben, das Verstehen einer sprachlichen Äusserung durch den Hörer sicherzustellen.[2] In diesem Beitrag möchte ich versuchen, an Hand der Verwendungsbedingungen von ehrlich gesagt einige semantische und pragmatische Aspekte äusserungskommentierender Formeln näher zu charakterisieren [113]und deren verstehens- bzw. verständnissichernde Funktion im Zusammenhang mit unterschiedlichen Sprechhandlungen deutlich zu machen. Zuvor ist es jedoch erforderlich, auf einige allgemeine Aspekte sprachlichen Handelns hinzuweisen, die gleichzeitig den Rahmen abstecken, in den unsere Untersuchungen zu stellen sind.

In der Kommunikation werden nicht einfach einzelne Sprechhandlungen nacheinander realisiert, sondern innerhalb umfassender Organisationsformen und Handlungsschemata vollzogen. Diese Schemata enthalten charakteristische Stadien, die die einzelnen Sprechhandlungen durchlaufen, darüber hinaus legen sie bestimmte Sequenzierungsbedingungen fest. Einige dieser Schemata können als Sprechhandlungsfolgen realisiert werden, an denen nur ein Sprecher beteiligt ist, andere hingegen werden als Sprechhandlungssequenzen vollzogen, an deren Realisierung mehrere Sprecher Anteil haben.

Ein Sprecher kann mit einer Sprechhandlung nur solche verstehenssichernden Elemente verbinden, die auf Grund des Handlungsschemas zulässig oder möglich sind. Die Verwendung äusserungskommentierender Formeln ist stets an die Bedeutung und Funktion einer Äusserung in dem betreffenden Kontext und Handlungssystem gebunden.

 

2. Äusserungskommentierende Gesprächsformeln

Als verstehenssichernde sprachliche Ausdrücke werden im Deutschen u. a. die gesprächskommentierenden Formeln ehrlich gesagt, offen gesagt, auf gut Deutsch gesagt, unter uns gesagt, im Vertrauen gesagt, kurzum, um es deutlich zu sagen, da wir gerade davon sprechen, um die Wahrheit zu sagen, im Ernst, nebenbei bemerkt verwendet. Da nahezu alle einschlägigen Grammatiken diese Formeln unberücksichtigt lassen bzw. lediglich registrieren, dass es sich dabei um ein Satzglied handelt, das „eine ausserhalb und über der Satzebene stehende Stellungsnahme zum Satzinhalt enthält“,[3] die in Spitzen- oder Zwischenstellung oder auch als Annex (Nachtrag) anzutreffen ist, auf die Verwendungsbedingungen dieser Formeln jedoch nicht eingehen, werde ich zunächst eine allgemeine Charakterisierung der Funktion dieser sprachlichen Mittel zur Äusserungskommentierung geben. Auf syntaktische Probleme dieses Satzgliedes „ausser der Reihe“ (Regula) kann in diesem Zusammenhang nicht Bezug genommen werden.

Als äusserungskommentierende Gesprächsformeln bezeichnen wir sprachliche Ausdrücke, mit denen ein Sprecher eine Verstehensanweisung seiner Sprechhandlung gibt und den Gebrauch einer Äusserung in einer konkreten Kommunikationssituation erläutert, um somit die von ihm beabsichtigte Aufnahme durch den Hörer sicherzustellen. Voraussetzung dafür ist — wie Hindelang richtig feststellt — dass der Sprecher die Reaktion auf seine Äusserung auf dem Hintergrund sozialer Normen, seiner Erfahrungen mit dem Hörer und besonders der vorausgegangenen Sprechhandlungen zu antizipieren vermag.[4] Äusserungskommentierende Gesprächsformeln sind sequenzsensitiv, d. h. sie können nur dann gebraucht werden, wenn der verstehens- bzw. verständnissichernden Sprechhandlung ganz bestimmte Sprechhandlungen bzw. Sprechhandlungssequenzen vorausgehen, mit anderen Worten: diese Formeln kommen in der Regel nicht in initiativen (sequenzeröffnenden) Sprechhandlungen vor, sondern unterliegen spezifischen Sequenzierungsbedingungen. Darüber hinaus sind äusserungskommentierende Gesprächsformeln in systematischer Weise mit der Bedeutung und Funktion der Äusserung verbunden, mit der sie gebraucht [114]werden. Ich werde im folgenden diesen Zusammenhang an der Verwendung von ehrlich gesagt in repräsentativen und satisfaktiven Sprechhandlungen näher zu charakterisieren versuchen. Bei der Untersuchung der Verwendungsbedingung dieser äusserungskommentierenden Gesprächsformel wird sowohl deren Gebrauch innerhalb einer Sprechhandlungssequenz als Redebeitrag eines Sprechers als auch in Sprechhandlungssequenzen berücksichtigt, an deren Realisierung zwei Sprecher beteiligt sind. Im letztgenannten Falle gehen wir von Sprechhandlungspaaren SH1 (Redebeitrag von Sprecher1) und SH2 (Redebeitrag von Sprecher2) aus, die in den Analysebeispielen durch (a) bzw. (b) charakterisiert werden. Sicherlich lassen sich aus den Sprechhandlungspaaren nicht alle Faktoren für den Gebrauch äusserungskommentierender Gesprächsformeln ableiten. Für unsere Analysezwecke sind sie jedoch ausreichend, da an ihnen demonstriert werden kann, wie SH1 beschaffen sein muss, damit ehrlich gesagt in SH2 gebraucht werden kann.[5]

 

2.1. Ehrlich gesagt in repräsentativen Sprechhandlungen

(1)*

Renate hat sich ein Kleid genäht.

 

Ehrlich gesagt, es ist ein Samtkleid.

(2)

Renate hat sich ein Kleid genäht.

 

Ehrlich gesagt, mir gefällt es nicht.

(3)

Renate hat sich ein Kleid genäht.

 

Ehrlich gesagt, ich hätte ihr das gar nicht zugetraut.

(4)

Renate hat sich ein Kleid genäht.

 

Ehrlich gesagt, mir gefällt es gut.

In (1), das ebenso wie die übrigen Analysebeispiele auch als Sprechhandlungspaar realisiert sein könnte, wird deutlich, dass der Satz mit der äusserungskommentierenden Formel in dieser Sequenz nicht verwendet werden kann, wenn dadurch lediglich eine Explikation des Sachverhalts oder eines im vorangegangenen Satz eingeführten Objekts erfolgt, d. h. wenn wie in (1) das eingeführte Objekt Kleid mit der Repetition als Samtkleid spezifiziert wird. Ehrlich gesagt kann demgegenüber verwendet werden, wenn mit diesem Satz eine Bewertung des im vorangehenden Satz ausgedrückten Sachverhalts vorgenommen wird. Dabei scheint es irrelevant zu sein, ob es sich um eine positive Bewertung wie in (3) und (4) oder eine negative wie in (2) handelt. In den Analysebeispielen (2)—(4) signalisiert der Sprecher durch die Verwendung der äusserungskommentierenden Gesprächsformeln, dass die Bewertung, die er vornimmt, im Widerspruch zu derjenigen sein kann, die sein Kommunikationspartner treffen kann. In diesen Fällen hat die äusserungskommentierende Gesprächsformel eine prophylaktische Funktion, sie wird verwendet, um eventuell auftretende Kommunikationskonflikte zu verhindern.

Ehrlich gesagt kann ferner dann in repräsentativen Sprechhandlungen verwendet werden, wenn die Äusserung von Sprecher2 einen expliziten Widerspruch zu der vorangehenden Sprechhandlung von Sprecher1 ausdrückt. Voraussetzung ist dabei jedoch, dass SH1 wie auch SH2 eine Bewertung vornehmen.

(5)

(a) Mastika trinke ich für’s Leben gern.

 

(b) Ehrlich gesagt, ich kann Anisschnaps nichts abgewinnen.

Wird wie in (6) mit (a) eine positive Bewertung vorgenommen, in (b) jedoch kein Widerspruch dazu hervorgerufen, scheint der Gebrauch von ehrlich gesagt nicht [115]akzeptabel, es sei denn, mit SH2 wird ausdrücklich eine Übereinstimmung mit der Bewertung zum Ausdruck gebracht, die in SH1 getroffen wurde.

(6)*

(a) Frau Lehman ist eine grossartige Lehrerin.

 

(b) Ehrlich gesagt, sie ist sehr gut.

(7)

(a) Frau Lehman ist eine grossartige Lehrerin.

 

(b) Ehrlich gesagt, ich finde auch, dass sie eine grossartige Lehrerin ist.

(7)

(b’) Ehrlich gesagt, ich bin ganz deiner Meinung.

Ob in SH1 eine positive oder negative Bewertung vorgenommen wird, scheint dabei wiederum nicht von Belang zu sein, wichtig ist vielmehr, dass zwischen (a) und (b) eine Übereinstimmung bezüglich der Sachverhaltsbewertung besteht.

Aus den Beispielanalysen, mit denen keineswegs das breite Spektrum der Verwendungsmöglichkeiten von ehrlich gesagt in repräsentativen Sprechhandlungen erfasst wurde, lässt sich folgende Verallgemeinerung formulieren.

Ein Sprecher verwendet ehrlich gesagt in Behauptungen, Feststellungen usw. als eine Verstehensanweisung, mit der er zum Ausdruck bringen will, dass er sich dessen bewusst ist, dass die repräsentative Sprechhandlung, mit der eine Sachverhaltsbewertung vorgenommen wird, sich für ihn in gewisser Weise negativ auswirken könnte, da er damit potentiell gegen eine soziale Norm verstösst bzw. Einstellungen und Erwartungen des Hörers widerspricht. Durch die Verwendung von ehrlich gesagt will der Sprecher somit sicherstellen, dass seine Sprechhandlung durch den Hörer richtig interpretiert wird, dass eine Sicherung des Verstehens des propositionalen Gehalts erreicht wird. In keinem Fall jedoch bringt ein Sprecher durch die Verwendung dieser äusserungskommentierenden Gesprächsformel zum Ausdruck, dass er in den vorangegangenen Sprechhandlungen nicht ehrlich war und dass seine Sprechhandlung somit nicht mit der Wahrheit übereinstimmte. Ehrlich gesagt weist somit semantisch sehr viele Ähnlichkeiten mit Sätzen wie „wenn ich meine Meinung dazu sagen darf, dann wird sie möglicherweise nicht mit der meines Gesprächspartners übereinstimmen, dennoch will ich es offen sagen“ bzw. „ich will Sie ja nicht kränken, aber ich habe dazu eine andere Meinung“ auf, die zwar eine explizitere Formulierung des Sachverhalts vornehmen, im Kern aber mit der Bedeutung der äusserungskommentierenden Gesprächsformel übereinstimmen.

2.2. Ehrlich gesagt in satisfaktiven Sprechhandlungen

2.2.1. Ehrlich gesagt in Antworten

Ein Sprecher, der eine Informationsfrage nicht beantworten kann, leitet seine Sprechhandlung häufig mit ehrlich gesagt ein.

(8)

(a) Wann wurde Beethoven geboren?

 

(b) Ehrlich gesagt, das weiss ich nicht.

Demgegenüber kann eine positive Antwort auf diese Frage nicht mit ehrlich gesagt eingeleitet werden.

(9)*

(a) Wann wurde Beethoven geboren?

 

(b) Ehrlich gesagt, Beethoven wurde am 16. oder 17. 12. 1770 geboren.

Der Begriff Informationsfrage, wie er Beispiel (8) zugrunde liegt, ist jedoch noch zu unscharf und bedarf — wie durch (10) deutlich wird — einer Präzisierung.

(10)

(a) Wann bist du gestern nach Hause gekommen?

 

(b) Ehrlich gesagt, es war nach Mitternacht.

Während der Sprecher in (8) (b) seine Unfähigkeit eingesteht, die Frage zu beantworten, signalisiert er in (10) (b), dass er sich dessen bewusst ist, bestimmte Erwar[116]tungen nicht erfüllt oder gegen bestimmte soziale Normen verstossen zu haben. Die Austauschbarkeit von ehrlich gesagt in (10) (b) durch im Vertrauen gesagt bzw. um die Wahrheit zu sagen weist darüber hinaus darauf hin, dass der Sprecher mit der Beantwortung der Frage gleichzeitig den Wunsch verbindet, dass seine Äusserung nicht weiterverbreitet wird, da ihm dies möglicherweise zum Nachteil gereichen kann.

2.2.2. Ehrlich gesagt in Entchuldigungen, Rechtfertigungen und Begründungen

Typisch ist das Vorkommen von ehrlich gesagt in Entschuldigungen, Rechtfertigungen und Begründungen, womit der Sprecher Kommunikationskonflikte im nachhinein beseitigen möchte. Der Sprecher weiss, dass er relativ zu bestimmten Handlungssystemen gewisse Normbedingungen nicht erfüllt hat. Mit der Verwendung der äusserungskommentierenden Formel wird ein expliziter Hinweis auf den vermeintlichen oder tatsächlichen Grund der Nichterfüllung der Normbedingung gegeben und deutlich gemacht, was die tatsächliche Absicht des Sprechers war, die der Handlung zugrunde lag.

(11)

     Ehrlich gesagt, ich wollte dich damit nicht kränken.

(12)

(a) Warum hast du gestern nicht an der Versammlung teilgenommen?

 

(b) Ehrlich gesagt, ich hatte eine wichtige persönliche Angelegenheit zu erledigen.

Die Verwendung von ehrlich gesagt in satisfaktiven Sprechhandlungen weist — wie die Beispiele zeigen — semantisch sehr viele Ähnlichkeiten mit Sätzen wie „es tut mir sehr leid, aber ….“, „sei mir bitte nicht böse, aber …“ u. a. auf.

 

3. Schlussfolgerungen

Die bisher analysierten Sprachproben erfassen keineswegs alle Verwendungsbedingungen von ehrlich gesagt. So sind weitere typische Vorkommen dieser äusserungskommentierenden Formel in der Zurückweisung von Sprechhandlungen (13) sowie in Antworten auf Alternativfragen (14) zu sehen, auf deren Analyse wir hier verzichten.

(13)

      Ehrlich gesagt, das geht sie gar nichts an.

(14)

(a) Möchten sie vor dem Essen einen Becherovka oder einen Wodka?

 

(b) Ehrlich gesagt, mir ist es gleich.

(14)

(b’) Ehrlich gesagt, ich würde gern einen Becherovka trinken.

Das bisher analysierte Belegmaterial erscheint uns ausreichend, um damit einige wesentliche semantische und pragmatische Aspekte dieser äusserungskommentierenden Formel deutlich zu machen und deren Verwendungsbedingungen zu charakterisieren.

Äusserungskommentierende Gesprächsformeln wie ehrlich gesagt sind Mittel der Verstehens- bzw. Verständnissicherung, durch die ein Sprecher die Aufnahme seiner Sprechhandlung durch den Hörer sicherstellen möchte. Formeln dieser Art unterliegen bestimmten Bedingungen der Gestaltung eines Redebeitrages, ihre Anwendung erfolgt somit nach sprechhandlungsspezifischen Gesichtspunkten. Äusserungskommentierende Formeln können demzufolge nur in Abhängigkeit vom konkreten Sprechhandlungsverlauf sowie den konkreten Sprechhandlungen analysiert werden, mit denen sie vorkommen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ehrlich gesagt eine Verstehensanweisung ausdrückt, mit der ein Sprecher in repräsentativen Sprechhandlungen im vorhinein signalisieren möchte, dass seine Äusserung bestimmte soziale Normen verletzten oder bestimmte Erwartungen seines Gesprächspartners nicht erfüllen könnte, in satisfaktiven Sprechhandlungen wird demgegenüber im nachhinein die Ursache für nicht intendierte Verstösse gegen Handlungsnormen zum Ausdruck gebracht. Ein Sprecher gebraucht ehrlich gesagt somit nicht, weil er in den [117]vorangegangenen Sprechhandlungen sich so geäussert hat, dass der Hörer dadurch einen nicht der Wahrheit entsprechenden Eindruck vom mitzuteilenden Sachverhalt bekommen musste oder das Verhalten des Hörers ihm Anlass zu der Explikation gibt, der Sprecher habe den Hörer in bezug auf einen Sachverhalt bisher in dem Glauben gelassen, nicht ehrlich gewesen zu sein, von nun an aber bereit sei, die Aufrichtigkeitsbedingungen und Wahrheitspostulate zu erfüllen. Damit ist bereits implizit zum Ausdruck gebracht, dass wir uns nicht den Argumenten Hindelangs u. a. anschliessen, äusserungskommentierende Gesprächsformeln auf der Grundlage des allgemeinen Kooperationsprinzip und der Konversationsmaximen von Grice zu bestimmen und eine Kommunikationsmaxime ‚Ehrlichkeit‘ zu postulieren. Abgesehen davon, dass eine Maxime ‚Ehrlichkeit‘ weder aus der Maxime der Quantität

(15)

Mache deinen Beitrag so informativ wie erforderlich.

 

Mache deinen Beitrag nicht informativer als erforderlich.

noch aus der Griceschen Maxime der Qualität

(16)

Versuche deinen Beitrag so zu machen, dass er wahr ist. (Sage nichts, von dem du glaubst, es sei falsch. Sage nichts, für das die hinreichende Evidenz fehlt.)[6]

direkt ableitbar ist, sprechen auch die empirischen Befunde eindeutig gegen eine solche Annahme. Den wichtigsten Einwand gegen eine solche Annahme liefert u. E. die semantische Interpretation dieser Formel, die in keiner konkreten Verwendungsweise auf die wörtliche Bedeutung zurückzuführen ist.

 

R É S U M É

Sémantické a pragmatické aspekty konverzačních formulí komentujících výpověď

Referát se soustřeďuje především na formuli ehrlich gesagt (‚upřímně řečeno‘) a podrobně ji analyzuje v rámci konkrétních typů řečového jednání, v nichž se jí užívá. V reprezentativních typech řečového jednání dává mluvčí touto formulí posluchači předem na srozuměnou, že se jeho výpověď možná prohřeší proti jistým společenským normám nebo že nesplní jistá posluchačova očekávání; naproti tomu v řečovém jednání typu satisfaktivního se dodatečně vyjadřuje příčina neúmyslných prohřešků proti normám jednání. Autor referátu tedy nesouhlasí s těmi badateli, kteří se pokoušejí interpretovat komentující formule na základě obecného principu kooperace a Griceových konverzačních maxim. Nehledě na obtíže teoretické mluví proti takovémuto předpokladu zcela jednoznačně zjištění empirická, především nemožnost převést význam této formule na její význam doslovný, a to v kterémkoli jejím konkrétním užití.


[1] Vgl. D. Viehweger, Pragmatische Voraussetzungen, deskriptive und kommunikative Explizität von Texten, Lunder Germanistische Forschungen, Bd. 47, Lund 1979.

[2] Zu den sogenannten „metakommunikativen Sprechakten“ s. vor allem H. E. Wiegand, Bemerkung zur Bestimmung metakommunikativer Sprechakte, Heidelberg 1978 (vervielf.), P. Watzlawick - J. H. Beavin und D. P. Jackson, Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, Bern - Stuttgart - Wien 41974; R. Meyer-Hermann, Zur Analyse metakommunikativer Sprechakte im Sprachunterricht, in: G. Henrici und R. Meyer-Hermann (Hrsg.), Linguistik und Sprachunterricht, Paderborn 1976, S. 132—158; B. Schlieben-Lange, Metasprache und Metakommunikation. Zur Überfügung eines sprachphilosophischen Problems in die Sprachtheorie und wissenschaftliche Forschungspraxis, in: B. Schlieben-Lange (Hrsg.), Sprachtheorie, Hamburg 1975, S. 189—205.

[3] M. Regula, Wesen, Arten und Formen des Judikativs, Vox Romanica 35, 1976, S. 95.

[4] G. Hindelang, Äusserungskommentierende Gesprächsformeln. Offen gesagt, ein erster Schritt, in: V. Ehrich und P. Finke (Hrsg.), Beiträge zur Grammatik und Pragmatik, Kronberg/Ts. 1975, S. 253—263.

[5] In unseren Untersuchungen bleibt die Verwendung von ehrlich gesagt als ehrlich in Annexposition, wie sie gegenwärtig offensichtlich besonders häufig in der mündlichen Kommunikation jugendlicher Sprecher in der DDR zur Bestärkung bzw. Bekräftigung einer vorausgegangenen Äusserung benutzt wird, unberücksichtigt.

[6] P. Grice, Logic and Conversation, zum Teil veröffentlicht in D. Davidson und G. Harman (eds.), The Logic of Grammar, Dickenson 1975.

Slovo a slovesnost, volume 40 (1979), number 2, pp. 112-117

Previous Marie Těšitelová: K nejčetnějším výrazovým prostředkům pravděpodobnostní (jistotní) modality

Next Renate Pasch (Berlin): Propositionale Einstellung des Sprechers und die Konstitution von Sprechakttypen